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Aus der Verbandsgeschichte (3)
Die Privatisierung des Volksbuchhandels in Berlin und Brandenburg 1991
Von Detlef Bluhm
Im Unterschied zu vielen anderen Wirtschaftsverbänden hat sich der Börsenverein nach der Wende vehement dafür eingesetzt, die Buchhandelslandschaft in den neuen Bundesländern nicht zum Spielball der wirtschaftlichen Interessen westdeutscher Investoren werden zu lassen. Ein Grund für diese dezidierte Position war die coupartige Übernahme aller Volksbuchhandlungen im Bezirk Dresden durch Thurn und Taxis im Frühjahr 1990. Im Rückblick beschrieb die Zeit diesen Vorgang so: »Das westdeutsche Familien-Großunternehmen Thurn und Taxis hat alle 53 Dresdner Volksbuchhandlungen übernommen, viele davon geschlossen und aus einigen Benetton-Läden gemacht.«
Die daraufhin von der Treuhandanstalt im Jahr 1990 formulierte Leitlinie zur Bewertung von Buchhandlungen wurde jedoch als kontraproduktiv empfunden. Am 18. Dezember 1990 trafen sich deshalb Delegationen der Treuhand und des Börsenvereins in Berlin. Dabei konnte der Börsenverein in ganz entscheidenden Punkten Änderungen dieser Richtlinie durchsetzen. Insbesondere sollten Kaufangebote von Mitarbeitenden des ehemaligen Volksbuchhandels grundsätzlich bevorzugt behandelt werden. Ferner sollte es nun möglich sein, Kaufangebote direkt den örtlichen Niederlassungen der Treuhandanstalt zu unterbreiten – unter Umgehung des alten Volksbuchhandels, der sich inzwischen als GmbH konstituiert hatte. Neben anderen Punkten wurde schließlich weiter vereinbart, dass die Landesverbände des Börsenvereins in den fünf neuen Bundesländern je zwei ExpertInnen in die regionalen Niederlassungen der Treuhandanstalt entsenden, um diese beim Verkauf der Buchhandlungen fachgerecht zu beraten.
Bereits kurz darauf, am 15. Januar 1991, betreute der Vorstand des zum 1. Januar 1991 neu entstandenen Landesverbandes Berlin-Brandenburg die Buchhändlerin Gunda Krohn (Burckhardthaus) und den Buchhändler Günter Strempel (Leselust) mit dieser Aufgabe. Den beiden ist es mit zu verdanken, dass in der Regel die Mitarbeitenden des ehemaligen Volksbuchhandels, die entsprechende Kaufangebote unterbreitet hatten, auch den Zuschlag erhielten. So konnten Gunda Krohn und Günter Strempel auf einer Vorstandssitzung am 21. März 1991 berichten, dass die Privatisierung der Buchhandlungen im Bezirk Frankfurt/Oder abgeschlossen sei.
Ich arbeitete zu dieser Zeit als freier Verlagsvertreter und war schon im Herbst 1990 bei meinem Besuch der Buchhandlung Ulrich von Hutten in Frankfurt/Oder von der Leiterin gefragt worden, ob ich Robert Kiepert, den Geschäftsführer der damals größten Berliner Buchhandlung Kiepert, bewegen könnte, die Ulrich von Hutten zu übernehmen. Es hatte sich niemand aus der Belegschaft gefunden, der eine Übernahme der Buchhandlung wagen wollte. Robert Kiepert zeigte zunächst kein Interesse. Er fuhr dann aber doch nach Frankfurt/Oder um sich ein Bild zu machen und erwarb schließlich als Wunschkandidat der Mitarbeitenden und des Verbandes die Buchhandlung.
In Potsdam bewarb sich ein Mitglied der Geschäftsführung der Volksbuchhandel GmbH um die Buchhandlung August Bebel Haus – vor allem wohl deshalb, weil zu dieser Buchhandlung auch die finanziell attraktive Immobilie in der Dortustraße Ecke Brandenburger Strasse gehörte. Auch einige finanzkräftige Investoren aus dem Westen gaben hierfür ihre Angebote ab. Den Zuschlag erhielten aber Carsten Wist und Siegfried Ressel, die sich gleich nach der Wende mit einer mobilen Buchhandlung, tatsächlich waren es Tapetentische, selbständig gemacht hatten.
Die Volksbuchhandel GmbH und die Buchhandelsgesellschaft Bouvier und Nicolai (letztere hatte sich kurz nach der Wende als Pächterin die dreizehn Filetstücke des Ostberliner Buchhandels vom Volksbuchhandel gesichert) scheiterten letztlich mit dem Versuch, sich als Filialisten am Markt zu etablieren. Sowohl die Kader des ehemaligen Volksbuchhandels als auch der Bewerber aus dem Westen scheiterten aus verschiedenen Gründen. Hauptsächlich aber lag es an den attraktiven Standorten der Buchhandlungen, die sich schlussendlich wirtschaftlich stärkere Bewerber aus anderen Branchen sichern konnten.
Diese drei Beispiele aus eigenem Erleben sollen reichen, um einen Eindruck von den Problemen bei der Privatisierung des Volksbuchhandels zu vermitteln. In der Summe gingen jedenfalls die allermeisten Buchhandlungen in Ost-Berlin und Brandenburg an ihre ehemaligen Leiterinnen. (Im Unterschied zur alten Bundesrepublik gab es im Volksbuchhandel so gut wie keine Buchhandelsleiter – meiner Erinnerung nach traf ich als Verlagsvertreter in Ost-Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern tatsächlich nur einen.) Im Unterschied zur Privatisierung der Verlage kann im Rückblick die des Buchhandels in Ost-Berlin und Brandenburg als Erfolg für den Erhalt einer vielfältigen Buchhandelslandschaft bilanziert werden.
Alle Fotos © Detlef Bluhm