Vom Bilderbuch zur Kamishibai-Bühne

Gabriela Bracklo, Inhaberin der Edition Bracklo

Das hat mich in die Buchbranche geführt:

Als ich 2007 ein ganz bestimmtes Bilderbuch aus einer bestimmten Kultur für meine Kinder nicht finden konnte – ich suchte damals ein japanisches Märchen – , stellte ich erstaunt fest, dass ich mich bereits inmitten eines interessanten und inspirierenden Netzwerkes von Künstlern und Büchermenschen der verschiedener Gewerke befand, die in der Folgezeit mit mir unsere ersten multikulturellen Bilderbuch-Projekte entwickelten und umsetzten. Ich übernahm gern die Aufgabe der Verlegerin und wachse seither täglich daran.
Bald lasen wir unsere ersten Märchen nach alter japanischer Tradition in einer – hinten offenen – Kamishibai-Holzbühne mal im Park und mal im Klassenzimmer meiner Jüngsten vor. Wir waren ebenso wie die Kinder im Publikum von der Schönheit und Eleganz dieser Lesungen gefangen und verlegten bald erste Kamishibai-Geschichten für Kindergärten, Schulen und Bibliotheken. Seit etwa 10 Jahren informieren und beraten wir auf Messen, in Vorträgen und Workshops über die verschiedenen Aspekte und Möglichkeiten beim Einsatz des Kamishibai (kami = Papier; shibai = Theater). Was als Nischenprodukt und Kuriosum begann, findet nun Eingang in den Kanon der Kinder- und Jugendliteratur und so befinden wir uns inzwischen auch hier in bester Gesellschaft.
Die kreative Zusammenarbeit und das gemeinsame Glücksgefühl einen neuen Bilderbuchschatz in Händen zu halten bzw. einen neuen Kartensatz erstmals in unsere Kamishibai-Bühne einzuschieben und in erwartungsvolle Augen zu schauen, wenn wir die Flügel der Bühne langsam öffnen, verzaubert uns immer aufs Neue. Kulturelle Vielfalt, Inklusion, Kreativität, Optimismus, Wärme und Toleranz sind in die Textur unserer Geschichten gewebt und machen sie zu Lieblingsbüchern für Kinder, Erwachsene und uns selbst.

Mein Lieblingsbuch das keiner kennt:

Herman Wouk: City Boy

Ohne meine Kolleg*innen hätte ich dieses Ding nicht gedreht:

Nur gemeinsam dreht sich das Rad der Edition Bracklo. Das gilt für Neuerscheinungen ebenso wir für Auszeichnungen, Veranstaltungen und Messen. Auch die lange Zeit der Pandemie lässt sich besser durchleben und nutzen, wenn wir alle gut auf uns und aufeinander Acht geben.
Doch einen Quantensprung erlebte unsere Reichweite, als wir vertrieblich breit aufgestellt waren. Daher an dieser Stelle ein besonderer Dank an unsere Verlagsvertretungen, Vertriebspartner und Auslieferungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz, die besondere Bücher in die Welt tragen und in der Außenwelt des Buchhandels als unsere Botschafter agieren. – So gelangen jetzt – corona-bedingt – auch einzigartige Titel wie unser legendärer, in rotes Leinen gebundener »Wunderkasten« von Rafik Schami und Peter Knorr aus der märchenhaften Welt des alten Syrien, denen bei Erscheinen das wichtige Vertriebsnetz noch fehlte, an ihren verdienten Platz in den Auslagen und Herzen von Bilderbuchliebhabern jeden Alters.
In Zeiten der Materialknappheit und Teuerung ist ein solcher bibliophiler Bilderbuchschatz, den man in die Hand nimmt und erst einmal über das geprägte Leinen streicht, dem beim ersten Aufschlagen der Duft von Naturpapier und der Zauber künstlerischer und handwerklicher Perfektion entströmt, auch wirtschaftlich für Buchhändler und Kunden noch reizvoller geworden. So erweisen sich gerade unsere preisstabilen, vielfach ausgezeichneten Longseller nun als besonders wertvolle Ressource.

Dieses Projekt würde ich gerne aus der Schublade holen:

Vermehrt Workshops und Vorlesungen im akademischen Rahmen zum Thema »Illustration für Kamishibai« besonders für junge Illustratoren am Beginn Ihrer Ausbildung bzw. Karriere. Wiederaufnahme von Vortragsprogrammen in Kooperation mit Fakultäten im Bereich Kinder- und Jugendliteratur und dem Bundesverband Leseförderung.
Kleinere, persönlichere Buchveranstaltungen, Lesefrühstücke, Präsentationen und Gedankenaustausche in unserem Showroom in Birkenwerder bei Oranienburg, der in unserer kleinen Gemeinde auch als Buchladen und Lesecafé gegenüber der Grundschule fungiert, wenn die Situation es wieder zulässt.

Ich bin Mitglied im Börsenverein, weil…

… er sich als Interessenvertretung der Buchbranche z.B. für die Buchpreisbindung einsetzt.
… er uns mit Aktionen wie #bücherfrühling, #verlagebesuche und #bücherHEROS zu neuen Abenteuern anstiftet.
… er Beratung in allen Belangen gibt, auch organisatorisch oder medienrechtlich.
… er interessante Seminare anbietet, die auch der persönlichen Vernetzung innerhalb der Branche dienen und allen Mitgliedern unseres Verlagsteams offen stehen.
… er wunderbare Mitarbeiter beschäftigt, die ihn ausmachen.
… er im Börsenblatt immer neue interessante Menschen, Themen und Fakten mit teilweise sehr konkretem Mehrwert für unsere Projekte vorstellt.

Welcher bücherHERO ist noch zu entdecken, und warum?

Beschränke ich mich schweren Herzens auf die Region Berlin und Brandenburg -denn Kinderbuch-Helden gibt es überall -, so denke ich sofort an meine langjährigen Freunde und persönlichen Bilderbuch-Orakel Mariela Nagle und Christoph Rieger.
Mariela Nagle, die aus Argentinien stammt, ist Inhaberin der Internationalen Kinder- und Bilderbuchhandlung mundo azul im Prenzlauer Berg. Hier stöbere ich gern in den Regalen nach fremdsprachigen Bilderbüchern in Originalausgabe. Die gemütliche Atmosphäre genieße ich und kehre zum Bücherplausch auf dem großen roten Samtsofa ein. Die Welt ist zu Gast in Mariela Nagles Bilderbuch-Salon. Aber nicht genug damit. Mariela Nagle gibt Seminare und Vorlesungen in Schulen, Universitäten sowie anderen sozialen und kulturellen Institutionen Europas. Seit 2017 war sie an verschiedenen Kultur- und Sozialprogrammen beteiligt. Mariela war 2018 Mitglied der Jurys des Bologna Ragazzi Awards und des Deutschen Jugendliteraturpreises. Aktuell arbeitet sie für die Plattform Frankfurt Kids der Frankfurter Buchmesse, in der Forschung und Kuratierung bei den Berliner Staatlichen Museen sowie am 360° Programm der deutschen Regierung, das die institutionelle Vielfalt behandelt. Ich selbst erlebe immer wieder wie engagiert sie die Vernetzung und Organisation internationaler Kinderliteratur- und Verlagsmenschen auf analogen und digitalen Veranstaltungen ganz persönlich anregt und vernetzt. Egal ob auf Zoom oder auf ihrem roten Sofa in der Choriner Straße, Mariela Nagle macht das Leben mit Bilderbüchern und Geschichten zu einem besonderen Fest.
Christoph Rieger organisiert seit 2011 für die Sektion Internationale Kinder- und Jugendliteratur des Internationalen Literaturfestivals Berlin jährlich rund 100 Veranstaltungen für Kinder und Jugendliche. Er versteht sich vor allem als Kulturmanager und Literaturvermittler, ist aber mit seinem profunden und facettenreichen Hintergrund und seiner Begeisterung für Menschen, Geschichten und Bilder so viel mehr. Indem er die lebendigen Menschen, welche Bücher erschaffen, Autoren und Illustratoren in direkten Kontakt mit ihren Lesern, den Kindern in Berlin bringt, wirkt er Wunder und inspiriert zweifellos zukünftige Generationen zu lesen, zu schreiben und zu illustrieren. Er bringt alle Qualitäten eines guten Gastgebers in diese Aufgabe ein. Zweimal war ich dabei, als unsere Autoren und Illustratoren Allen Say (2016) und Liu Xun (2019) als Ehrengäste auf das Internationale Jugendliteraturfest eingeladen waren. Unvergessliche, intensive Tage des Gespräches, des Lachens und der Inspiration, für die das gesamte Team der ILB alljährlich den idealen Rahmen schafft.

Was möchten Sie sonst noch loswerden?

Mit unserer Leidenschaft für künstlerisch, gestalterisch und handwerklich ausgezeichnete Bilderbücher und die alte japanische Tradition des Kamishibai-Theaters stehen wir in Zeiten des Wandels für Sorgfalt, Nachhaltigkeit und höchste Qualität gerade in Bereich der Kinderliteratur. Zahlreiche Auszeichnungen, Preise und Empfehlungen spornen uns als kleines Verlagsteam immer wieder an und freuen uns sehr.